„Recht ist selbstverständlich oder unverständlich“
Benno Heussen
1. Das Missverständnis
Das Problem beginnt mit einem Missverständnis. Rechtskenntnisse und Rechtsberatung sind nicht etwa die sprichwörtlichen zwei Seiten der gleichen Münze, sondern beruhen auf grundsätzlich unterschiedlichen Frage- und Problemstellungen.
„Rechtskenntnisse und Rechtsanwendung“
Im Rahmen der Rechtsanwendung erfolgt der Abgleich eines konkret bekannten Lebenssachverhaltes mit einer als einschlägig eingeschätzten, aber lediglich abstrakt formulierte Rechtsnorm. Dies ist die Perspektive eines Rechtsanwaltes, der eine Forderung seines Mandanten im Klageweg durchsetzen soll oder die Arbeitsweise eines Gerichts, das anschließend die Klageforderung und den zugrunde liegenden Sachverhalt rechtlich zu beurteilen hat. Rechtsanwendung ist deshalb grundsätzlich rückwärtsgewandt.
Im Rahmen der Rechtsanwendung erfolgt der Abgleich eines konkret bekannten Lebenssachverhaltes mit einer als einschlägig eingeschätzten, aber lediglich abstrakt formulierte Rechtsnorm. Dies ist die Perspektive eines Rechtsanwaltes, der eine Forderung seines Mandanten im Klageweg durchsetzen soll oder die Arbeitsweise eines Gerichts, das anschließend die Klageforderung und den zugrunde liegenden Sachverhalt rechtlich zu beurteilen hat. Rechtsanwendung ist deshalb grundsätzlich rückwärtsgewandt.
Das Ergebnis kann vom Rechtssuchenden meist nur noch eingeschränkt beeinflusst werden, da der Sachverhalt im Regelfall bereits abgeschlossen ist. Aber auch der Rechtsanwendungsprozess kann vom Rechtssuchenden meist nur noch eingeschränkt beeinflusst werden. Die Rechtsfindung obliegt im konkreten Einzelfall den Gerichten mit allen damit verbundenen Risiken und Unwägbarkeiten in rechtlicher, zeitlicher und menschlicher Hinsicht.
Der Grundgedanke einer sinnvollen Rechtsberatung besteht darin, Möglichkeiten aufzuzeigen, um im Rahmen der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen bestmögliche unternehmerische Entscheidungen zu treffen.
Die abstrakten rechtlichen Rahmenbedingungen werden damit nicht zum Prüfungsmaßstab, sondern definieren Leitplanken und Gestaltungsspielräume für zukünftige Entscheidungen.
Rechtsberatung ist deshalb wie jede andere unternehmerische Entscheidungshilfe grundsätzlich zukunftsorientiert auf der Grundlage ergebnisoffener Fragestellungen. Das Unternehmen kann aktiv handeln und gestalten und ist nicht nur darauf beschränkt, zu reagieren.
„Klassische Rechtsberatung„
Nahezu jeder Unternehmer hat „seinen“ Steuerberater, mit dem er in mehr oder weniger ständigem Dialog steht. Unternehmerische Planungen und Entscheidungen werden im Vorfeld in Bezug auf ihre steuerrechtlichen Auswirkungen und Gestaltungsmöglichkeiten besprochen. Und das völlig zu Recht, denn schließlich geht es hier ja unmittelbar um Ergebnis und Gewinn.
Im Gegensatz zur externen Steuerberatung ist die „klassische“ Rechtsberatung häufig reaktiv geprägt. Das Unternehmen erkennt ein Problem und identifiziert dieses Problem als ein rechtliches Problem. Oder das Unternehmen wird von dritter Seite auf das Problem „hingewiesen“, zum Beispiel in Form einer Abmahnung oder eines Verwaltungsaktes. Mit dieser Fragestellung wendet sich das Unternehmen an einen Anwalt und bittet um Rat oder Hilfe.
Dann hängt es vom Zufall ab, ob das Problem überhaupt oder rechtzeitig genug erkannt wird. Rechtsberatung wird dann nicht selten zum Krisenmanagement, anstatt Bestandteil einer vorausschauenden und ertragsorientierten Unternehmensplanung und Unternehmenssteuerung zu sein. Und Rechtsberatungskosten werden zu Schadenminderungsausgaben, während sie bei vernünftiger Planung als Investitionsaufwand verstanden werden können.
Strategische Rechtsberatung
Das Ziel der strategischen Rechtsberatung besteht darin, reaktives Krisenmanagement durch sachgerechtes pro-aktives Risikomanagement zu ersetzen, um dadurch den Unternehmenserfolg abzusichern und zu steigern.
Unternehmerisches Handeln und unternehmerischer Erfolg werden nicht nur durch wirtschaftliche, sondern ganz entscheidend auch durch rechtliche Rahmenbedingungen geprägt.
Die Unternehmensstruktur, die Prozesse und das Risikomanagement im Unternehmen, die Entwicklung und der Schutz der eigenen Produkte, der Vertrieb sowie Marketing und Werbung können durch entsprechende rechtliche Gestaltung optimiert werden.
Die strategische Rechtsberatung beruht deshalb auf einem möglichst frühzeitigen Dialog zwischen Unternehmer und Anwalt, um rechtliche Rahmenbedingungen und Risiken, aber auch Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten sachgerecht einschätzen und angemessene strategische Maßnahmen ergreifen zu können.
- Wir analysieren rechtliche Chancen, aber auch Risiken im Zusammenhang mit Ihrer unternehmerischen Tätigkeit.
- Wir entwickeln strategische juristische Konzepte zur Optimierung der Unternehmensperformance und zur Vermeidung oder Reduzierung von rechtlichen Risiken.
- Wir begleiten Sie bei der Umsetzung Ihrer Unternehmensziele im Daily Business durch problem- und kostenbewusste Beratungs- und Vertretungstätigkeit.
- Wir unterstützen Sie in unerwarteten Krisensituationen und Notfällen und setzen Ihre Rechte gegenüber Dritten durch. Sowohl außergerichtlich als auch in der Prozesssituation.
2. Warum benötigt effiziente Rechtsberatung eine Strategie?
Ausgezeichnete Rechtskenntnisse sind für eine qualifizierte Rechtsberatung selbstverständlich, aber nicht ausreichend. Die Herausforderung für eine fundierte und erfolgreiche Rechtsberatung besteht vielmehr darin, mit einer Vielzahl von Unsicherheiten umzugehen.
Recht ist unberechenbar
Die Unsicherheiten ergeben sich aus der Natur des „Rechts“ als einer Gesamtmenge von formellen Regelungen, informellen Marktmechanismen und unberechenbaren Durchsetzungsmöglichkeiten in einer hoch entwickelten, äußerst komplexen und sehr schnell agierenden und reagierenden Gesellschaft mit äußerst heterogenen Interessen und Befindlichkeiten.
Die Unsicherheiten werden dadurch verstärkt, dass das „Recht“ in seiner praktischen Umsetzung grundsätzlich subjektiv und interaktiv ist und dadurch ständig moving target Situationen produziert. Es ist nicht immer abzusehen, wie sich Vertragspartner, Wettbewerber, Prozessgegner, Aufsichtsbehörden und Interessensverbände, nationale und Europäische Gerichte sowie der Gesetzgeber zukünftig verhalten werden. Im Zeitalter des agilen Projektmanagements können sogar einzelne Projekte innerhalb des Unternehmers mit Blick auf externe Projektpartner moving target Situationen mit wechselnden rechtlichen Fragestellungen provozieren.
Diese Unsicherheiten führen zwangsläufig zu weiteren Unsicherheiten bei der Frage, welcher Zeit- und Kostenaufwand mit der Klärung von rechtlichen Unsicherheiten verbunden sein wird. Sobald gerichtliche Hilfe benötigt wird, können sich unternehmerische Planungsansätze in Bezug auf zeitnahe Ergebnisse, Kosten und Ertrag schnell als gegenstandslos erweisen.
Für den Unternehmer kann diese Gemengelage sehr problematisch werden, da immer häufiger Unsicherheiten entstehen, welche Rechte einem Unternehmen zustehen und ob bzw. mit welchem Erfolg man diese Rechte, im Zweifel auch gerichtlich, durchsetzen kann. Gleichwohl muss man sich mit dieser Herausforderung auseinandersetzen, wenn man den Unternehmenserfolg nicht durch rechtliche Unsicherheiten unnötig gefährden möchte.
Der Umgang mit Unsicherheiten ist vielen Bereichen der Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit. Unternehmen haben gelernt, mit Produkt- und Marktrisiken, mit finanziellen und mit personellen Risiken umzugehen und diese Unsicherheiten bei ihren Planungen angemessen zu berücksichtigen.
Ungewohnt und in gewisser Weise auch beunruhigend ist dagegen die Feststellung, dass auch „das Recht“ und damit zugleich eine wichtige Grundlage der unternehmerischen Tätigkeit „unsicher“ ist bzw. sein kann.
„Rechtsberatung als Teil der Lösung“
Ein vertretbarer Umgang mit Unsicherheiten aller Art ist nur möglich, wenn man einerseits bereit ist, diese Unsicherheiten als solche zu benennen und zu akzeptieren und andererseits Maßnahmen ergreift, um die mit diesen Unsicherheiten verbundenen Risiken „beherrschbar“ zu machen. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass man diese Risiken ausschalten kann, wohl aber, dass man diese Risiken zum kalkulierbaren Gegenstand unternehmerischer Entscheidungen machen kann.
Die Verortung rechtlicher Fragen als unternehmerische Unsicherheiten ist zunächst nur eine zutreffende Diagnose, aber noch kein konstruktiver Vorschlag zur Lösung des Problems.
Diese Feststellung führt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass man auch für den Bereich der Rechtsberatung Strategien braucht, die einerseits dem Umstand Rechnung tragen, dass das Recht und seine Durchsetzung mehr oder weniger „unsicher“ sein können und andererseits in der Lage sind, einen konstruktiven Beitrag zur Problemlösung zu leisten.
Letztendlich geht es darum, einen Zugang zu einem unternehmerisch sinnvollen Umgang mit dem Recht und seinen Unsicherheiten zu finden.
Welche Strategien benötigt man?
Strategien für eine sinnvolle Rechtsberatung stellt das „Recht“ aus sich heraus nicht zur Verfügung, da der Begriff der Strategie dem Recht grundsätzlich fremd ist. Das Recht denkt vielmehr digital im Sinne von „berechtigt“ oder „unberechtigt“, „erlaubt“ oder „verboten“. Wirtschaftliche Maßstäbe wie „sinnvoll“ und „zweckmäßig“, „unvorteilhaft“ oder „unwirtschaftlich“ sind keine rechtlichen Beurteilungskriterien.
Das Recht soll das Verhalten in einer sozialen Marktwirtschaft lediglich in den wesentlichen Grundzügen steuern, dabei aber so wenig konkrete Verhaltensanweisungen geben wie möglich.
Deshalb muss sich die strategische Rechtsberatung an dem Erfahrungswissen orientieren, dass in anderen Disziplinen in Bezug auf den Umgang mit Unsicherheiten gewonnen wurde und im Rahmen einer ergebnisorientierten Unternehmensberatung bereits erfolgreich eingesetzt wurde.
Dabei muss die strategische Rechtsberatung über den durchaus berechtigten Wunsch nach dem fachlich „richtigen“ Rechtsrat („Bin ich im Recht?“) hinaus gehen. Die strategische Rechtsberatung muss in der Lage sein, Handlungsempfehlungen zu geben und Umsetzungsmaßnahmen durchzuführen, die ihrerseits geeignet sind, einen originären und unmittelbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten.
3. Die Elemente einer strategischen Rechtsberatung
LEITSATZ FORMULIEREN: WAS IST DAS ZIEL?
Branchenkenntnis
Grundvoraussetzung für jede effiziente Beratungstätigkeit ist eine fundierte Branchenkenntnis, um das wirtschaftliche Umfeld, in dem sich das Unternehmen bewegt, zu verstehen. Branchenkenntnis ist darüber hinaus erforderlich, um die kontinuierlichen Harmonisierungsentwicklungen im EU-Recht und ihre möglichen Auswirkungen auf den deutschen Markt beurteilen zu können.
Zielbestimmung
Strategische Rechtsberatung ist ergebnisorientiert. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Beratungsansatzes ist die Ermittlung der Ausgangslage („Wo stehe ich?“), eine konkrete Zielbestimmung („Was will ich erreichen?“) und die Ermittlung der Motivlage des Unternehmens („Warum will ich das erreichen?“).
Bei der Sachverhaltserfassung und bei der Zielbestimmung kann die Perspektive des bisher nicht involvierten Außenbetrachters einen hilfreichen Beitrag zur Versachlichung eines „Problems“ leisten. Eine präzise Klärung der Motivlage ermöglicht das Denken in Alternativszenarien.
Projektmanagement-Kompetenz
Auch ein strategisches Rechtsberatungsprojekt ist in erster Linie ein Projekt. Projekterfahrung und die Fähigkeit zum Arbeiten im Team unter Beachtung von Zeit- und Kostenansätzen sind Grundvoraussetzungen, um komplexere Fragestellungen zu bewältigen.
Dabei müssen gegebenenfalls auch agile Arbeitsansätze aus dem operativen Bereich des Unternehmens mit langfristigen rechtlichen Planungsansätzen unter dem Aspekt eines angemessenen rechtlichen Risikomanagements sachgerecht aufeinander abgestimmt werden (Hybrides Projektmanagement).
Kaufmännische Kompetenz
Die Durchsetzung von Rechtsansprüchen, die Verteidigung von Rechten oder die Abwehr von unberechtigter Inanspruchnahme können mit erheblichen Unsicherheiten belastet sein, aber gleichzeitig zu großen Kostenrisiken und Ressourcenbindung führen.
Strategische Rechtsberatung soll einen originären und unmittelbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Aus diesem Grund ist es zwingend erforderlich, wirtschaftliche Überlegungen (Kosten / Nutzen / Risiken) von Anfang an in den strategischen Entscheidungsansatz einzubeziehen. Unsicherheiten im rechtlichen Bereich können häufig durch einen wirtschaftlichen Perspektivenwechsel einer kaufmännisch sachgerechten Entscheidung zugeführt werden („Ist es wirtschaftlich sinnvoll?“).
In diesem Bereich ist auch die sogenannte „Ökonomische Analyse des Rechts“ angesiedelt, die eine Lösung von originär rechtlichen Problemen durch eine Änderung der Fragestellungen durch eine Fokussierung auf verhaltensökonomische Überlegungen (Behavioral Law and Economics) sucht.
Mathematische und empirische Strategien
Mathematisch basierte Planungsansätze sind für kaufmännische Entscheidungen eine Selbstverständlichkeit. Typische Risikomanagementmodelle beruhen letztendlich ebenfalls auf mathematischen und statistischen Überlegungen („You can´t manage what you can´t measure.“).
Rechtliche Unsicherheiten lassen sich zwar nicht vollständig mit mathematischen Ansätzen lösen. Rechtliche Fragestellungen sind aber in weit höherem Umfang als allgemein vermutet für plausible und nachvollziehbare Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zugänglich. Dadurch können rechtliche Entscheidungen entemotionalisiert, versachlicht und evaluiert werden.
Psychologische Strategien
Psychologisches Know How ist für ein Kunden- und Absatz orientiertes Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Der gesamte Marketing Bereich (4P´s) könnte ohne psychologische Überlegungen weder sinnvoll geplant noch umgesetzt werden.
Eine effiziente strategische Rechtsberatung beruht nicht primär auf der Option einer Durchsetzbarkeit der eigenen Rechtsposition auf der Grundlage einer (vermeintlichen) Rechtslage („Recht haben“), sondern stellt den Aspekt der Überzeugung der Gegenseite von der Sinnhaftigkeit einer einvernehmlichen Vorgehensweise in den Vordergrund („win/win“).
Ein wichtiges Tool ist dabei nach einer sachgerechten Analyse des zu bewältigenden Konfliktpotentials das Aufsetzen strukturierter Verhandlungsstrategien und rationaler bzw. alternativer Konfliktlösungsansätze auf der Grundlage bewährter Modelle (wie zum Beispiel dem Harvard Konzept, Zopa, Batna und Watna).
Strategien im Bereich Konfliktmanagement
Leider wird sich nicht immer eine einvernehmliche Lösung erzielen lassen. Es gibt Fallgestaltungen, die keine win/win-Lösung zulassen, sondern eine digitale Entscheidung erfordern („Bin ich im Recht?“). Unangemessenes Nachgeben kann den Interessen des Unternehmens und seiner Investoren Schaden zufügen.
Die strategische Rechtsberatung muss deshalb auch in der Lage sein, Handlungsoptionen für den Bereich des streitigen Konfliktmanagements aufzuzeigen und umzusetzen.
Das Spektrum an Möglichkeiten reicht von der außergerichtlichen Disput Resolution (Adjudikation, Schlichtung, Schiedsgerichtliches Verfahren, Schiedsgutachten) bis zum klassischen Rechtsstreit, gegebenenfalls über mehrere Instanzen.
Dabei dürfen auch bei streitigen Auseinandersetzungen strategische Überlegungen nicht vernachlässigt werden. Ein zentrales Tool zum Risikomanagement in der Prozesssituation ist dabei die Prozessrisikoanalyse nach Risse/Morawietz.
Weitere strategische Überlegungen in der Konfliktsituationen beinhalten letztendlich auch die Bereiche Reputation Management und Litigation PR.

